Zivilcourage ist im Regierungsviertel oft hinderlich – aber nicht immer
Dass Politiker allein ihrem persönlichen Kompass gehorchen, im Zweifel ohne Rücksicht auf Verluste, kommt vor. Der für damalige Verhältnisse äußerst rechte CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis war mal so ein Fall, der Grüne Hans-Christian Ströbele war ein anderer. Ralf Stegner von der SPD redet bis heute gemeinhin, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Ein Muster an Eigensinn ist der 91-jährige Liberale Gerhart Baum. Doch diese Ausnahmen bestätigen nur die Regel. Und die Regel lautet, dass intellektuelle Autonomie auf dem Feld der Berufspolitik eher selten ist, weil sie der Karriere schadet.
Ein selten erfolgreiches Beispiel für Courage ist die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und FDP-Spitzenkandidatin bei der Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die seit bald zwei Jahren nicht müde wird, die Werbetrommel für die von Russland angegriffene Ukraine zu rühren – und sich dabei ein ums andere Mal auch mit Kanzler Olaf Scholz anlegt, obwohl der dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner nahesteht. Der motorradfahrenden Düsseldorferin ist das egal. Das hat nun unter anderem zur Folge, dass Thüringens FDP um Thomas Kemmerich mit ihr keinen Wahlkampf mehr machen will und Sachsens FDP vielleicht auch nicht. Kemmerich finde die Parteifreundin „zu polemisch“, gerade gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, heißt es.