Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann

PORTRÄT - Zwischen Shootingstar und Nervensäge

Marie-Agnes Strack-Zimmermann
Archivbild

„Das hätte sich die FDP-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann - vor Putins Angriff auf die Ukraine eher nur in Fachkreisen bekannt - wohl auch nicht träumen lassen: Dass ein Delegierter vor ihr begeistert mit höflichem Knicks in die Knie geht, und das Vorstandsmitglied direkt als ‚Frau Parteivorsitzende‘ begrüßt - wie jüngst auf dem Bundesparteitag der Liberalen geschehen.

Klar war es als Spaß gemeint, aber es kommt nicht von ungefähr: Zweifellos ist die 64-Jährige innerhalb kürzester Zeit zum Klartext-Shootingstar der Ampel und der FDP geworden. In politischen Talkshows zum Ukraine-Krieg ist sie gern geladener Gast - wegen ihrer Art, auch mal jenseits der Scholz-Tonspur kein Blatt vor den Mund zu nehmen: Sie vertritt vehement ihre eigene Meinung zum sicherheits- und verteidigungspolitischen Kurs Deutschlands. Und die hat sie. Schon im Januar sagte sie angesichts der Bedrohungslage in der Ukraine, man müsse über die Lieferung von Defensiv-Waffen nachdenken.

Man könnte auch sagen: Strack-Zimmermann ist derzeit in den hitzig diskutierten Fragen rund um den Ukraine-Krieg, vor allem der Lieferung schwerer Waffen, so etwas wie der rhetorische Gegenentwurf zu Bundeskanzler Olaf Scholz. Wo er noch schwieg und überlegte, forderte sie schon mehr Engagement der Deutschen bei der Unterstützung der Ukraine. 

Doch sie steht da nicht allein. Sie weiß ihre Fraktion, aber auch viele Grünen-Abgeordnete hinter sich. Kurzentschlossen fuhr sie Mitte April als kleine Ampel-Reisegruppe mit den Vorsitzenden des Europa-Ausschusses und des Auswärtigen Ausschusses - dem Grünen-Politiker Anton Hofreiter und dem SPD-Politiker Michael Roth - in die Ukraine. Nicht erst seit dieser Reise plädierte sie für die Lieferung schwererer Waffen zur Landesverteidigung.

Beim Koalitionspartner SPD gibt es geteilte Meinungen über ihren Politikstil. Hat sie doch in einer recht eigenmächtigen Aktion in ihrem Amt als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses vor drei Wochen den Bundeskanzler als Gast eingeladen. Allerdings ohne etwa vorher den Obmann der Kanzlerpartei im Ausschuss zu informieren - das Vorgehen sei ‚gelinde gesagt nicht die Regel‘, heißt es in Bundestagskreisen. 

Es wirkte ein wenig so, als lade sie den damals als Zaudernden in der Kritik stehenden Kanzler vor, als wolle sie ihn beim Thema Waffenlieferungen antreiben. SPD-Obmann Wolfgang Hellmich, ihr Koalitionspartner und Vorgänger im Ausschussvorsitz, reagierte scharf - am selben Tag: ‚Es stellt sich die Frage, ob hier die gebotene politische Neutralität zugunsten persönlicher Profilierung aufgegeben wird.‘

Wenn Scholz am heutigen Freitag vor den Ausschuss tritt, ist die Lage im Vergleich zur Woche der Einladung allerdings bereits politisch entschärft: Denn wenige Tage nach der Einladung gab die Bundesregierung bekannt, die Lieferung von ‚Gepard‘-Panzern aus Beständen der deutschen Waffenindustrie an die Ukraine zu erlauben - ein Kehrtwende.

Was ist Strack-Zimmermanns Ziel bei dieser Ausschussbefragung? ‚Natürlich nicht, wie von manchen kolportiert, den Bundeskanzler vorzuführen - ich habe ihn zum Gespräch eingeladen. Ohne dem Austausch vorgreifen zu wollen: Auch, um zu erfahren, wie weit der Kanzler in den kommenden Monaten gehen wird - sollte der Krieg in der Ukraine in den kommenden Monaten weitergehen‘, sagt sie im Gespräch mit tagesschau.de

Das Verhältnis der beiden dürfte seit Kriegsbeginn recht kühl sein. Schließlich haben die beiden offenkundig recht unterschiedliche Auffassungen des derzeit gefragten Führungsstils: Scholz meldete sich über Ostern in einem rbb-Interview zu Wort, das man in Richtung kritischer Abgeordneter wie Strack-Zimmermann deuten konnte: ‚Ganz klar ist, dass in so einer Situation sich immer wer zu Wort meldet und sagt: „Ich möchte, dass es in diese Richtung geht, und das ist Führung.“ Manchen von diesen Jungs und Mädels muss ich mal sagen: Weil ich nicht tue, was ihr wollt, deshalb führe ich.‘

Kurze Zeit später ließ Strack-Zimmermann in einem ZDF-Interview verlauten, wenn auch ohne Namensnennung: ‚Wir haben zu führen. Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch. Und für die, die diese Rolle nicht annehmen wollen, sage ich, dann sitzen Sie möglicherweise im falschen Moment am falschen Platz.‘

‚Strack-Zimmermann geht Scholz scharf an‘, lauteten daraufhin entsprechend die Zeitungstitel. Sie wird es nicht gestört haben. Generell ist sie jemand, der gern austeilt - auch via Kurznachrichtendienst Twitter. Aber mit ihrer Unerschrockenheit wirkt sie zumindest recht authentisch - und stillt damit eventuell auch draußen im Land eine Sehnsucht nach einem solchen Politikertypus: geradlinig, unbequem und streitbar.

Worauf sie allerdings empfindlich reagiert: wenn ihre Integrität angezweifelt wird. Etwa bei Kritik aus der linken Anti-NATO-Ecke, die recht simpel daherkommt: Sie plädiere jetzt für Waffenlieferungen, um die Rüstungswirtschaft anzukurbeln. Schließlich kommt sie ja auch noch aus Düsseldorf, dem Hauptsitz des Rüstungskonzerns und ‚Gepard‘-Herstellers Rheinmetall - wo sie länger unter anderem als Erste Bürgermeisterin tätig war. ‚Das ist wirklich das Allerletzte!‘, empört sie sich.

Der Verein LobbyControl greift sie für die ehrenamtliche Mitgliedschaft im Präsidium des ‚Förderkreises Deutsches Heer e.V.‘ an - einem Lobbyverein im vorparlamentarischen Raum, der den Austausch von Politik mit der Rüstungsindustrie zu Beschaffungsfragen zum Ziel hat. Dies sei nicht vereinbar mit dem Vorsitz des Verteidigungsauschusses. Allerdings sitzen im Präsidium auch Verteidigungspolitiker von CDU und SPD - und auch ihr Amtsvorgänger Hellmich war dort Präsidiumsmitglied.

Man darf annehmen, dass es manchen in der SPD-Fraktion, vor allem aber auch im Kanzleramt, lieber wäre, Strack-Zimmermann würde ihr Amt etwas geräuschloser führen, und sich auf die eigentliche überparteilich moderierende Arbeit einer Ausschussvorsitzenden konzentrieren - halt wie früher, zu Hellmichs Zeiten.“

Eine Analyse von Corinna Emundts, tagesschau.de

Mit Informationen von Martin Schmidt und Bianca Schwarz, ARD-Hauptstadtstudio