Interview: «Wie kann man so planlos losmarschieren?» Die FDP geht auf AKK los

Die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat an diesem Mittwoch erstmals im Verteidigungsausschuss des Bundestags ihr Konzept für eine Sicherheitszone in Syrien vorgestellt, die unter internationaler Kontrolle stehen soll. Hat Sie der Auftritt überzeugt, Frau Strack-Zimmermann?
Natürlich ist es grundsätzlich richtig, dass Deutschland eine Haltung zum Konflikt in Syrien einnimmt; dafür gibt es zum einen humanitäre Gründe, zum anderen sind unsere Sicherheitsinteressen direkt berührt, wenn es um die Bekämpfung des IS geht. Aber wie Frau Kramp-Karrenbauer vorgeht, ist schon sehr seltsam. Sie hat heute im Ausschuss gesagt, dass ihr kein Nato-Einsatz vorschwebe. Von der Nato habe sie tags zuvor nur gesprochen, weil sie am Freitag in Brüssel sei, und da seien auch alle Verteidigungsminister der Nato, und man könne miteinander reden. Die Sicherheitszone, um die es ihr gehe, solle natürlich unter dem Dach der Vereinten Nationen stehen. Davon war vorher allerdings nie die Rede – und ich habe mir wirklich alles angehört, was sie zum Thema gesagt hat.
Hat die Ministerin etwas zur Rolle des Nato-Mitglieds Türkei gesagt?
Sie wolle mit der türkischen Regierung reden, hat sie gesagt. Und selbstverständlich werde Deutschland, wenn, dann nicht gegen die Türkei kämpfen. Ich habe daraufhin Eberhard Zorn, den Generalinspekteur der Bundeswehr, gefragt, wie er das sehe. Der sass zwei Plätze neben ihr. Seine Antwort: Er habe noch gar kein Lagebild. Das könne er erst anfertigen, wenn er einen entsprechenden politischen Auftrag erhalte. Ich habe dann gefragt, ob er denn als oberster Militär in die Planung der Ministerin involviert gewesen sei. Daraufhin hat er erst geschwiegen und dann ausweichend geantwortet: Das Ganze sei eine politische Entscheidung, er sei nur Ausführender. Mein Eindruck: Der Generalinspekteur ist auch kalt erwischt worden.
Damit wäre er nicht alleine.
Es ist ein einziges Kommunikationsdesaster. Die Kanzlerin schaut zu. Der Aussenminister schweigt zwölf Tage lang. Und Deutschlands Verbündete, von denen Frau Kramp-Karrenbauer behauptet, sie habe sie vorab informiert, streiten das ab.
Die Ministerin hat am Dienstag gesagt, sie habe ihre Kollegen in Frankreich, Grossbritannien und den Vereinigten Staaten in Kenntnis gesetzt.
Uns hat heute die Information erreicht, dass das so nicht stimme.
Was soll das heissen? Ist Frau Kramp-Karrenbauer telefonisch nur bis in die Vorzimmer durchgedrungen?
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Tatsache ist, dass es die Regierungschefs nicht gewusst haben. Vielleicht hat sie Gespräche geführt und gesagt: Passt auf, ich habe da was vor. Das will ich nicht ausschliessen. Aber bei einem so ernsten Thema geht es darum: Rede ich mit dem Brötchen oder mit den Krümeln? Noch mal: Man kann einen Vorstoss wie Frau Kramp-Karrenbauer machen. In der Sache ist das, wie gesagt, richtig. Aber dann muss man die Regierung hinter sich haben. Dann muss man die Verbündeten vorher einweihen. Und dann muss man die militärischen Berater an seiner Seite haben. Frau Kramp-Karrenbauer hat doch eine politische Abteilung im Ministerium. Wo war die denn? Sie hat einen parlamentarischen Staatssekretär namens Peter Tauber. Der war, wie sie, mal Generalsekretär der CDU. Ein hochpolitischer Kopf. Was macht der eigentlich? Haben die sie alle ins Messer laufen lassen? Wie kann man so planlos losmarschieren?
Eine andere Frage lautet: warum?
Ich kann es nur vermuten. Frau Kramp-Karrenbauer ist ja gleichzeitig CDU-Chefin. Und sie ist ganz neu im Ministerium. Womöglich hat sie aus Überzeugung gesagt: Wir können da in Syrien nicht nur zugucken, hier geht es auch um unsere Sicherheit und um möglicherweise grosse Flüchtlingsströme Richtung Europa. Und dann ist sie vorgeprescht, damit es ihr keiner klaut. Die Kanzlerin hat so was auch immer gerne gemacht: Fakten schaffen durch Worte.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
«Wir schaffen das.»
Das war der Versuch, für eine grosse politische Krise eine Art Motto zu formulieren. In Kramp-Karrenbauers Fall gab es keine Krise. Sie ist ohne Not vorgeprescht.
Da haben Sie recht.
Sie haben gesagt: «damit es ihr keiner klaut». Geht es der Ministerin womöglich weniger um Syrien und mehr um die persönliche Profilierung? In der CDU zweifeln immer mehr Mitglieder an der Vorsitzenden.
Sie hat das Problem in der Partei, und sie hat das Problem, dass ihr viele die Aufgabe im Ministerium nicht zutrauen. Ich kann mir vorstellen, dass sie denen allen demonstrieren wollte: Leute, ich habe einen ganz breiten Rücken. Aber der Wille ist das eine, politisches Handwerk ist das andere.
Reden wir über den Inhalt. Angenommen, eine international geschützte Sicherheitszone in Nordsyrien wäre möglich. Wie viele Soldaten wären nötig?
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aus der CDU kam die Zahl 30 000 bis 40 000. Diese Grössenordnung hat der Generalinspekteur heute weit von sich gewiesen. Aus seinem Haus kämen die Zahlen nicht. Und zu Ihrer Frage: Als die Türkei vor zwei Wochen in Nordsyrien einmarschiert ist, haben wir als FDP gesagt, wir können uns einen Einsatz mit UN-Mandat vorstellen. Wir könnten uns auch vorstellen, dass Deutschland dabei ist. In welchem Umfang und mit wie vielen Soldaten? Das würde vom Mandat abhängen. Dazu müsste uns auch die Regierung – also Frau Kramp-Karrenbauer – eine echte Diskussionsgrundlage vorlegen.
Aber wie soll eine entsprechende Resolution des Sicherheitsrats zustande kommen? Die Präsidenten von Russland und der Türkei haben mit ihrem Zehn-Punkte-Memorandum Tatsachen geschaffen. Moskau ist die neue Ordnungsmacht der Region. Es dürfte jeden Versuch, diesen Status zu verändern, mit einem Veto blockieren.
Das ist leider richtig. Als ich heute Nacht gehört habe, dass die sich auf dieses Memorandum geeinigt haben, habe ich sofort gedacht: Damit ist alles andere hinfällig. Es ist ja schön, dass Frau Kramp-Karrenbauer jetzt mit Erdogan reden will. Aber der hat gar keinen Grund, mit ihr zu reden. Die russische Pufferzone steht. Die Türkei hat vielleicht nicht ganz so viel Land bekommen, wie Erdogan wollte, aber immerhin. Und die Nato ist gespalten. Für Putin, Erdogan und auch für Asad hätte es nicht besser laufen können.
Der frühere deutsche Aussenminister Sigmar Gabriel hat sich dennoch grundsätzlich hinter die Verteidigungsministerin gestellt. Europa müsse das Vakuum besetzen, das Amerikas Rückzug in der internationalen Politik hinterlasse.
Da hat er recht. Die Interessen der Europäer sind auch in Nordsyrien tangiert. Beispiel IS. Da können wir uns nicht wegducken.
Wie bewerten Sie das Verhalten des amtierenden Aussenministers Heiko Maas?
Der ist, wenn Sie wollen, das Gegenstück zu Frau Kramp-Karrenbauer. Die rennt los, prallt gegen die Wand, steht wieder auf und rennt weiter. Immerhin. Aber ich habe keine Ahnung, wo Herr Maas die letzten zwei Wochen gesteckt hat. Kaffee trinken vielleicht. Das Problem der Bundesregierung ist ja, dass die SPD bei dem ganzen Thema anders tickt als die CDU. Und Herr Maas ist ein ganz anderer Typ als Gabriel. Gabriel ist rustikal, den hat auch seine eigene Partei am Ende nicht mehr interessiert. Maas ist da ein ganz anderer Typ, nicht nur körperlich. Erst kommt er selbst, dann kommt unter Umständen die SPD, und ganz am Schluss kommt der Rest der Welt. Unser Aussenminister ist wirklich aussergewöhnlich schwach.
Interview geführt von Marc Felix Serrao