INTERVIEW | Strack-Zimmermann: "Frauen in Musterung einbeziehen – gibt keinen Grund, auf Hälfte der Bevölkerung zu verzichten"
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, 67, ist Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung im Europäischen Parlament. Dort ist sie Mitglied des Vorstands der liberalen Renew-Fraktion. In Deutschland gehört sie dem FDP-Präsidium an.
Der Bundeskanzler hat die Ambition, die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Armee in der EU auszubauen. Wie wird dieses Ziel in Europa gesehen – mit Zustimmung oder mit Sorge?
Grundsätzlich wird in Europa goutiert, dass Deutschland mehr Geld in die Hand nimmt. Die Nachbarn beobachten auch mit großem Interesse, dass hierzulande endlich eine sicherheitspolitische Debatte stattfindet – über Dienstpflicht, über Freiwilligkeit, über den Zustand der Bundeswehr. Aber unsere Partner warten ab, ob den Ankündigungen auch Taten folgen. Die Erwartung ist klar: Deutschland soll führen. Das ist als Kompliment gemeint – nur wird es noch nicht erfüllt.
Gibt es in der EU eine einheitliche Wahrnehmung der Bedrohung durch Russland?
Die große Mehrheit sieht die Bedrohung klar. Unterschiede verlaufen entlang parteipolitischer Linien: Rechte Kräfte halten das alles für übertrieben, auch Teile der Linken sehen keinen Handlungsbedarf. Aber das politische Zentrum, Kommission, Parlament – die nehmen die Gefahr sehr ernst. Wir haben mittlerweile einen EU-Kommissar für Verteidigung und Weltraum, eine Vizepräsidentin für Cyberspace und Grenzschutz, und eine Hohe Beauftragte für Außenpolitik. Alle drei kommen aus Ländern mit russischer Grenze. Das Thema ist also in der Mitte Europas angekommen. Aber: Die Sicherheit liegt immer noch in nationaler Hand. Kooperation entsteht nur, wenn die Mitgliedstaaten Vertrauen in Brüssel setzen und die in der EU geschaffenen Programme zur militärischen Ertüchtigung auch mit Leben erfüllen.