FDP-Politikerin Strack-Zimmermann: Eine Widersacherin in der Ampelkoalition
„Marie-Agnes Strack-Zimmermann mag es schnell. Wenn sie in Berlin ist, düst sie schon mal mit dem Cityroller über die Flure des Bundestags. In ihrer Freizeit fährt sie, seit sie 18 Jahre alt ist, Motorrad. Wer die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag in den vergangenen Monaten erlebt, sieht durchaus Parallelen zu ihrer politischen Arbeit, auch dort reagiert sie zügig, schlagfertig und energisch – sie spart nicht mit Kritik, selbst an der Politik der Ampelkoalition, der sie angehört.
Die FDP-Politikerin mit rheinischen Wurzeln ist derzeit eine der Wortführerinnen, die sich in der Ampelkoalition für schwere Waffenlieferungen an die Ukraine einsetzen. Geht es nach ihr, müsste dies ‚umgehend‘ geschehen. Ihrer Meinung nach ist die Zeit des Redens längst vorbei. Jüngst twitterte sie: ‚Diplomatie sollte man immer Vorzug geben, das ist richtig. Aber dafür muss es auf der anderen Seite auch Personen geben, die dafür empfänglich sind. Deutschland hat seit 2014 bis zur Selbstaufgabe „Diplomatie“ betrieben. Und jetzt stehen wir vor Trümmern dieses Entgegenkommens.‘
In der vergangenen Woche ist die Verteidigungsexpertin mit Anton Hofreiter (Grüne) und Michael Roth (SPD) in die Ukraine gereist. Schon vorher hatte sie sich für militärische Hilfe ausgesprochen, danach noch einmal mehr und deutlicher. Das war nicht immer so. Zu Beginn des Krieges in der Ukraine hatte sich die Politikerin ziemlich früh für die Lieferung von deutschen Defensivwaffen eingesetzt, diese Aussage dann aber wieder zurückgezogen, auch wegen der Regierungslinie.
Das hat sich inzwischen gewandelt, auch weil der Krieg so viele Opfer fordere, sagt sie, und weil die Ukraine Hilfe brauche. Und damit avanciert die FDP-Politikerin zur Widersacherin von Bundeskanzler Olaf Scholz, der sich nach wie vor – so monieren Kritiker – vergrabe, obwohl der Druck auf ihn von allen Seiten wächst. Zu zaudernd sei er, den Krieg in der Ukraine betreffend, bescheinigt die FDP-Politikerin dem Kanzler. Zu schweigend und zu zögernd – und das sagt sie auch öffentlich.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann erwähnt derzeit oft die Rede von Kanzler Scholz im Bundestag drei Tage nach Beginn des Ukraine-Kriegs. Damals habe er von einer Zeitenwende gesprochen. Doch dieser Begriff müsse jetzt, Wochen später, mit Leben gefüllt werden. Zwar solle Scholz nicht wie ein Cowboy durch das Land reiten, sagte sie jüngst dem Nachrichtensender ntv. Doch es stehe ihm ‚gut zu Gesicht, den Menschen zu erklären, wo wir gerade stehen‘. Der Krieg gehe auch Deutschland an, denn sollte Russland gewinnen, gelte auch eine andere Werteordnung für Europa.
Noch stoßen die FDP-Politikerin und ihre Mitstreiter aus den Koalitionsreihen auf scheinbar taube Ohren, die Bundesregierung lehnt bislang die Lieferung schwerer Waffen, etwa Panzer, an die Ukraine ab. Zu Begründung verweist sie unter anderem auf notwendige Absprachen mit Partnerländern sowie darauf, dass ukrainische Soldaten nicht für die Geräte ausgebildet seien. Am Freitag war jedoch bekannt geworden, dass die Regierung ihre finanzielle Militärhilfe für die Ukraine aufstocken will.
Seit Marie-Agnes Strack-Zimmermann in den Bundestag eingezogen ist, gehört sie zu den lautesten Ampel-Politikern und -Politikerinnen. Sie sitzt häufig in Talkshows, bei Lanz etwa oder Anne Will, meist recht gelassen, aber bestimmt, immer zum Streiten bereit. Das sagen auch Weggefährten über sie. Direkt sei sie, was manche mitunter vergrätze. Und sie gibt unermüdlich Interviews, um ihre Standpunkte klarzumachen.
Gleich zu Beginn des Krieges in der Ukraine sprach sich die FDP-Politikerin im Namen ihrer Partei gegen eine Wiederaufnahme des gestoppten Pipeline-Projekts Nord Stream 2 aus. ‚Für uns ist diese Leitung tot‘, sagte sie kurz und knapp. Als sich Altkanzler Gerhard Schröder nicht von Putin öffentlich distanzierte, sondern anfangs noch um Verständnis warb, sagte sie der Berliner Zeitung: ‚Die Aussagen Schröders machen einen sprachlos.‘ Und sie forderte wenig später das Aus seiner Bundestags-Apanage, die ihm ein Büro, Mitarbeiter und einen Chauffeur finanziert hat. Das dürfte manchem in der SPD nicht gefallen haben.
In die Politik ging die Liberale, Jahrgang 1958, recht spät. Ausschlaggebend war ein ‚fehlender Zebrastreifen vor dem Kindergarten‘, sagte sie einmal in einem Interview. Eingetreten in die FDP war sie bereits 1990, doch erst neun Jahre später wurde sie in in die Bezirksvertretung im Stadtbezirk 7 in Düsseldorf gewählt. Danach ging es recht schnell: 2004 wurde die Politikerin in den Rat der Stadt Düsseldorf gewählt, ein Jahr später war sie Fraktionsvorsitzende. Von 2008 bis 2014 war sie Erste Bürgermeisterin Düsseldorfs. Auch dort stritt sie gerne, feierte aber auch. Karneval ist für sie die fünfte Jahreszeit.
Seit 2017 sitzt Marie-Agnes Strack-Zimmermann nun im Bundestag, sie ist inzwischen Vorsitzende des Verteidigungsausschusses. Erst die Pandemie, dann der Krieg – das hat sie zuletzt beinahe täglich auf den Plan gerufen. Schweigen wird sie auch in Zukunft nicht.“
Artikel von Anne-Kattrin Palmer