Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann

DR. MARIE-AGNES STRACK-ZIMMERMANN: Plenarrede vor dem Deutschen Bundestag

Die kommunalpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, in der Debatte um lebendige Innenstädte:

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Die Verödung der Innenstädte ist kein neues Phänomen. Das Problem hat sich seit Jahren kontinuierlich entwickelt und hat aus vielen individuellen Einkaufsstraßen mit Lokalkolorit fade austauschbare Orte gemacht, in denen sich vor allem viele Tauben wohlfühlen. In den Fußgängerzonen die gleichen Ketten, gleiche Schaufenster, gleiche Gerüche, Handyladen, Trinkhallen, Fastfood und in der dunklen Jahreszeit ab 17 Uhr tote Hose. Zuerst gingen die Kaufhäuser als Ankermieter, dann folgte der Einzelhandel, und jetzt bekommen die Innenstädte durch die desaströse Coronapolitik der Bundesregierung den Rest, weil sie seit November trotz ausgefeiltem Hygienekonzept keine Chance haben, zu öffnen.

Meine Damen und Herren, lebendige Ortskerne sind essentiell für unser gesellschaftliches Miteinander. Warum fühlen sich eigentlich Menschen zum Beispiel in Oberitalien auf den Plätzen so wohl? Weil der historische Städtebau Handel, Wohnen und Gastronomie gepaart mit toller Architektur zu einem Erlebnisraum gemacht hat. Angesichts des Innenstadtsterbens ist es auch völlig falsch und rückwärtsgewandt, wenn, wie zum Beispiel in Berlin, die Grünen die Vergangenheit beschwören. Meine Damen und Herren, Erinnerung an Vergangenheit erinnert auch daran, um 18.30 Uhr in den Laden zu hetzen, weil er gleich schließt. Das will nicht nur keiner mehr, es entspricht auch nicht dem heutigen Einkaufsverhalten.

Meine Damen und Herren, Menschen kaufen vor Ort und online. Das werden die Geschäfte überleben, die attraktive Produkte auf beiden Vertriebswegen anbieten. Der kleine Musikladen nebenan überlebt nicht, weil wir ihn wichtig finden, er überlebt, wenn wir dort auch regelmäßig einkaufen. Wir als Gesetzgeber im Bund und in den Ländern sollten die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Rathäuser handeln können, um die lokalen Probleme zu lösen, denn die Kommunen wissen selbst am besten, wie sie mit den Problemen umzugehen haben.

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In der Krise liegt die Chance, neu zu denken. Deswegen brauchen wir Gesetzesinitiativen, insbesondere ein viertes Bürokratieentlastungsgesetz, für einen Abbau von Bürokratie für Handel – übrigens auch für Handwerk –, die vollständige Abschaffung des Solis, um Personenunternehmen, wie sie übrigens gerade auch im Fachhandel vorkommen, zu entlasten und ihnen so wieder zu mehr Liquidität für Investitionen, Technologie, Ausstattung und Personal zu verhelfen.

Wir müssen gemeinsam mit den Ländern und Kommunen die raumordnende Anforderung an Sortimente bei der Ansiedlung von Einzelhandel mit dem Ziel einer großen kommunalen Planungshoheit überarbeiten. Die Baunutzungsverordnung gehört endlich auf den Prüfstand mit dem Ziel, dass Gemeinden lokal, bedarfsgerecht und flexibel Flächengrößen von Handelsbetrieben anpassen können.

Wir sollten eine Experimentierklausel zur technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm einführen, welche eine stärkere Durchmischung bestehender Quartiere möglich macht.

Es stehen Verhandlungen zur Verhaltensvereinbarung Städtebauförderung an. Beim Programm „Lebendige Zentren und Quartiere“ müssen wir darauf drängen, dass Kommunen in Zukunft flexibler auf Veränderungen reagieren können und die gesamte Abwicklung der Städtebauförderung auch alleine managen können. Lassen wir zu, dass Startups und traditioneller Einzelhandel sich vernetzen und Prozesse endlich digitalisiert werden können.

Meine Damen und Herren, es wird Zeit, die kommunale Selbstverwaltung zu paaren mit kommunaler Eigenverantwortung. Unsere Pflicht ist es hier und in den Ländern, bestehende Regeln zu entrümpeln. Nur so werden Städte und Gemeinden die Herausforderungen bestehen, und nur so verhindern wir auf Dauer die Zerstörung der Innenstädte.