Alice Schwarzer: „Nicht der richtige Moment“ für feministische Außenpolitik
„Obwohl die Kritik an ihrem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz groß war, bleibt Alice Schwarzer bei ihrem Appell, keine weiteren schweren Waffen in die Ukraine zu liefern. In einem Streitgespräch mit der FPD-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann im ‚Spiegel‘ erklärte Schwarzer: ‚Ich bin dafür, dass wir mit aller Kraft versuchen, diesen Krieg nicht in eine unendliche Länge zu ziehen, sondern in baldige Verhandlungen investieren, damit dieser Krieg gestoppt werden kann.‘
Strack-Zimmermann zeigte sich hingegen von der Haltung der Herausgeberin der ‚Emma‘ irritiert: ‚Ich habe damit gerechnet, dass Sie nun die körperliche und seelische Gewalt an Frauen, dass Sie das Ermorden von Soldaten, die Bombardierung einer Geburtsklinik anprangern.‘
Schwarzer entgegnete der Politikerin, dass ihre Zeitschrift genau das tue. In der aktuellen Ausgabe der ‚Emma‘ erschien Ende des vergangenen Monats ein Artikel der kroatischen Journalistin Slavenka Drakulić, der Vergewaltigung nicht als ‚Kollateralschaden‘ in Kriegszeiten, sondern als bewusst eingesetzte Waffe begreift und im Kontext des Zweiten Weltkriegs oder des Kriegs in Bosnien beleuchtet.
Mit ihrem Aufruf für einen schnellen Abbruch des Ukraine-Konflikts wolle Schwarzer genau diese ‚systematischen Kriegsvergewaltigungen in der Ukraine‘ beenden. ‚Sie fahren mit Ihrem Panzer gerade mit Höchstgeschwindigkeit auf die Katastrophe zu. Können Sie bitte die Bremse ziehen?‘, appellierte Schwarzer an Strack-Zimmermann. Gerade im Namen der Frauen werde sie das nicht tun, entgegnete jedoch Strack-Zimmermann: ‚Ich werde die Panzer nicht bremsen, sondern sie weiterfahren lassen, damit diese Schlächtereien ein Ende haben.‘ Darüber hinaus gehe es in der Ukraine auch um die Verteidigung der Demokratie und der freien Welt. ‚Es darf nicht sein, dass Putin sich hier durchsetzt‘, sagte die FDP-Politikerin.
Überraschend zögerlich zeigte sich Schwarzer beim Thema feministische Außenpolitik. ‚Ich bin uneingeschränkt dafür – seit den Neunzigerjahren, in denen das Konzept entwickelt wurde. Aber ich muss sagen: Dies ist leider nicht der richtige Moment‘, sagte die Feministin. Jetzt von feministischer Außenpolitik zu reden sei ihr peinlich, da die Ukraine gerade ‚zu stark von enthemmter Gewalt und Macht überrollt‘ werde. Damit spiele sie Männern wie Friedrich Merz nur in die Karten, findet Strack-Zimmermann. Schwarzer wehrt ab: ‚Sie reden von Moral, die ich natürlich selbstverständlich lebe und vertrete, aber ich rede von Realitäten und Machtverhältnissen.‘“