Afghanistan: FDP gegen erneuten Einsatz – Kritik an Regierung
„Die Bundesregierung rettet nun die ersten deutschen Staatsbürger aus der afghanischen Hauptstadt Kabul. Aber die Diskussion, warum die radikal-islamischen Taliban überhaupt erstarken konnten, startet erst jetzt so richtig. Die FDP habe in den vergangenen vier Jahren ‚immer eine Exitstrategie von der Regierung gefordert‘, sagte die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann der radioWelt auf Bayern 2. Doch eine Evaluation zur Stärke und Kampfbereitschaft der afghanischen Armee habe man nicht erhalten: ‚Heute stehen wir vor diesen Scherben.‘
Strack-Zimmermann ist ‚zutiefst frustriert darüber, dass der Einsatz unserer Soldaten und Soldatinnen in wenigen Tagen überrollt worden ist‘. Die FDP-Verteidigungspolitikerin hält einen erneuten Militäreinsatz in Afghanistan für den falschen Ansatz. Stattdessen gelte nun: ‚Wir sind draußen und bleiben draußen.‘ Strack-Zimmerman sieht es jetzt als vorrangige Aufgabe, sich um die verbliebenen Ortskräfte in Afghanistan zu kümmern: ‚Auch da hat sich die Bundesregierung wirklich nicht mit Ruhm bekleckert.‘
Bei den Ortskräften handelt es sich um einheimische Mitarbeiter deutscher Stellen in Afghanistan. Der deutsche Verein ‚Patenschaftsnetzwerk‘, der sich für diese Kräfte einsetzt, befürchtet, dass für rund 7.000 Bundeswehr-Helfer und ihre Familien die Rettung vor den Taliban zu spät kommt. Mehr als 70 Staaten haben an die Führung in Afghanistan appelliert, Afghanen und Ausländern eine Ausreise zu ermöglichen.
Kritik kommt auch von anderen Oppositionsparteien. Außenminister Heiko Maas (SPD) habe ‚viel Schuld auf sich geladen‘, sagte der Grünen-Politiker Jürgen Trittin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er warf dem von Maas geführten Auswärtigen Amt vor, eine Rettung und unbürokratische Aufnahme der afghanischen Ortskräfte in Deutschland blockiert zu haben.
‚So ein Versagen, das so viel Leid mit sich bringen wird, ist beispiellos‘, sagte Trittin, der dem Auswärtigen Ausschuss des Bundestags angehört. Er wies dem Außenminister eine persönliche Verantwortung für das Schicksal der Betroffenen zu: Wenn die Ortskräfte nun ‚nicht mehr gerettet werden können, ist er dafür verantwortlich‘.
Auch der FDP-Außenexperte Alexander Graf Lambsdorff übte massive Kritik an der Bundesregierung. Es müsse jetzt alles daran gesetzt werden, ‚dass die deutschen Staatsbürger Afghanistan sicher verlassen können‘, sagte der stellvertretende FDP-Fraktionschef der ‚Welt‘. ‚Das gilt auch für die afghanischen Ortskräfte und deren engste Angehörige.‘
Strack-Zimmermann hält es zudem für notwendig, das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) zu unterstützen: ‚An den Grenzen zu Afghanistan, an den Binnengrenzen beispielsweise zu Usbekistan sind Tausende von Flüchtlingen, die versorgt werden müssen. Auch da müssen wir präsent sein.‘ Darüber hinaus müsse die UN die Nachbarländer Afghanistans an einen Tisch holen, forderte sie im BR: ‚Es kann nicht im Interesse der Nachbarn sein, dass die Taliban dort wieder ein islamisches Emirat errichten, damit die Scharia wieder eingeführt wird und alles zunichte gemacht ist, wofür eine Generation von Afghaninnen und Afghanen 20 Jahre geträumt haben.‘“