Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann

„Maas ist ein Minister für schöne Momente, kein Krisenmanager“

Marie-Agnes Strack-Zimmermann
Archivbild

„Marie-Agnes Strack-Zimmermann empfängt schon am frühen Montagmorgen in ihrem kleinen Büro im Jakob-Kaiser-Haus. Die FDP-Abgeordnete ist die Verteidigungsexpertin ihrer Fraktion und eine der größten Kritikerinnen des Afghanistan-Desasters, das sie lückenlos aufklären möchte.

Frau Strack-Zimmermann, Sie haben heute im Verteidigungsausschuss einen Bericht der Bundesregierung zur aktuellen Lage in Afghanistan bekommen. Haben Sie den Eindruck, dass die beteiligten Ministerien jetzt so gut zusammen arbeiten, wie sie das müssen?

Im Verteidigungsministerium und im Auswärtigen Amt wird vor allem daran gearbeitet, Minister Maas und Ministerin Kramp-Karrenbauer politisch zu retten. Drei Wochen vor der Bundestagswahl laufen bei der CDU/CSU und der SPD primär Abwehrkämpfe auf unsere kritischen Fragen, warum wir zu spät und zu wenige Ortskräfte aus Kabul gerettet haben.

Wie darf man sich das vorstellen?

Ich hatte vor drei Wochen in der Sondersitzung des Verteidigungsausschusses die Ministerin aufgefordert, uns Auskunft darüber zu geben, warum der zeitliche Ablauf der Evakuierung, wie vom Ministerium behauptet, so nicht stimmen kann. Die Ministerin hat immer wieder erzählt, sie hätte am 13. August, als die Amerikaner längst mit der Evakuierung begonnen haben, zur Vorbereitung des deutschen Einsatzes aufgerufen. Vorher hätte sie keinen Grund dafür gesehen. Tatsache ist aber, dass die Amerikaner am 9. August ihren Einsatz vorbereitet haben und die deutsche Botschafterin in Washington bereits am 6. August einen Kabelbericht an das Auswärtige Amt und in Kopie an das BMVg gesendet hat, in dem auf die drohende Lage in Afghanistan hingewiesen worden ist. Ich bat um Einsicht. Das hat man mir verweigert.

Mit welchem Argument?
Es hieß, es seien Namen darin enthalten, die man nicht verbreiten wolle. Selbstverständlich kann man in einem solchen Fall Namen unkenntlich machen. Wir wissen inzwischen, dass in dem Schreiben früh vor dem Kollaps in Kabul gewarnt worden ist. An diesem Tag wurde der afghanische Regierungssprecher von den Taliban ermordet, zwei Tage zuvor der afghanische Verteidigungsminister mit Sprengsätzen angegriffen. Da stießen die Taliban also bereits massiv vor.

Die Amerikaner treffen Vorbereitungen zur Evakuierung und die Deutschen warten ab?

Ich spitze deshalb die Ohren, weil diese brisante Information offensichtlich über das Wochenende liegen geblieben ist nach dem Motto „ab Freitag um eins macht jeder seins und erst fünf Tage später den im Urlaub befindlichen Generalinspekteur erreichte. Auch die Ministerin will davon nichts gewusst haben. […]“

Interview geführt von Christine Dankbar