Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann

INTERVIEW: "Neuer Freiwilligendienst ist nur eine Nebelkerze"

Frau Strack-Zimmermann, was stört Sie an dem Vorstoß der Ministerin?

Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Das ist keine gute Idee, denn freiwillig können junge Menschen ja jetzt schon in der Bundeswehr dienen. Wozu da noch eine neue Variante? Schlagkräftiger wird die Truppe dadurch jedenfalls nicht. Auch ein freiwilliges soziales Jahr etwa bei der Caritas oder dem Deutschen Roten Kreuz ist heute schon möglich. Kramp-Karrenbauer will etwas ganz anderes.

Und was?

Strack-Zimmermann: Die Idee für einen neuen Freiwilligendienst ist nur eine Nebelkerze, denn das eigentliche Ziel der Verteidigungsministerin ist die Einführung eines allgemeinen Pflichtjahrs, eines verpflichtenden Dienstjahres an der Gesellschaft. Das lehnen die Liberalen ab. Dafür müsste übrigens das Grundgesetz geändert werden. Man kann junge Leute heute nicht verpflichten, einen Dienst im militärischen oder sozialen Bereich zu tun, und ihre Lebenszeit bestimmen. In der Bundeswehr liefe es zudem auf einen verpflichtenden Dienst für Frauen hinaus.

Aber was ist daran so schlecht? AKK geht es nach eigenen Worten um den Zusammenhalt in der Gesellschaft, der auch durch eine Dienstpflicht gestärkt werden könnte. Selbst SPD-Chefin Esken kann sich dafür erwärmen.

Strack-Zimmermann: Der Verteidigungsministerin in ihrer Argumentation zu folgen hieße, denjenigen, die diesen Dienst nicht leisten wollen, zu unterstellen, dass sie unloyal gegenüber unserer Gesellschaft sind. Dem widerspreche ich vehement. Ich kenne viele junge Menschen, die sich nach ihrem Schulabschluss sozial engagieren oder dieses vor ihrer Ausbildung eines sozialen Berufs tun. Über den gesellschaftlichen Zusammenhalt muss man diskutieren, aber eine Art verpflichtende Freiwilligkeit wird es mit den Liberalen nicht geben.

Die ganze Debatte ist ja auch im Zusammenhang mit rechtsextremistischen Tendenzen in der Truppe und einer möglichen Wiederbelebung der Wehrpflicht aufgekommen.

Strack-Zimmermann: Das eine hat mit dem anderen wirklich nichts zu tun. Ich erinnere an einen Untersuchungsausschuss, der bereits vor 20 Jahren rechtsradikale Tendenzen in der Bundeswehr zum Thema hatte. Im Abschlussbericht dieses Gremiums kann man nachlesen, dass seinerzeit 95 Prozent der rechtsradikal auffälligen Menschen in der Truppe Grundwehrdienstleistende waren und nur ein Bruchteil Berufssoldaten beziehungsweise Zivilangestellte. Die Wehrpflicht ist also mitnichten ein Garant für die Armee, diese vor Rechtsextremen zu schützen. Solches Gedankengut muss konsequent bekämpft werden, auch um zu verhindern, dass die gesamte Truppe unter Generalverdacht gerät.

Interview von Stefan Vetter

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