Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann

DR. MARIE-AGNES STRACK-ZIMMERMANN: Plenarrede vor dem Deutschen Bundestag

Die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, in der Debatte zum Jahresbericht 2019 des Wehrbeauftragten:

„Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Wehrbeauftragte, wir haben den Bericht Ihres Vorgängers vor uns liegen; Herr Bartels, ich freue mich, Sie hier zu sehen. Es ist ein schonungsloser Bericht, weil die Soldatinnen und Soldaten an der Hierarchie vorbei ihre Sorgen und Probleme schildern können. Von letzteren konnten wir uns auch immer bei unseren Besuchen an den Standorten ein Bild machen.

Ich war gerade letzte Woche bei der Marine: Die Festrumpfschlauchboote: immer noch nicht zugelaufen. Die Spezialkräfte sind frustriert und haben jetzt ihre Fähigkeiten beim Inspekteur abgemeldet. Das Geld ist da, der Auftrag erteilt und im Nirwana der Beschaffungsbürokratie verschwunden. Die Marineflieger in Nordholz, zu deren Fähigkeiten gehört, Jagd auf U-Boote zu machen, können ihre Fähigkeiten bald auch an der Tür abgeben, weil bis heute nicht geklärt ist, wie das Nachfolgemodell ihres Fluggerätes aussieht. Das alles ist unfassbar; aber es sind Symptome eines komplett in sich gelähmten Systems. Durch die Zentralisierung ist keine Entscheidungskompetenz mehr bei denjenigen, die den Bedarf der Truppe kennen; sie sind beim Beschaffungsprozess komplett außen vor.

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Was erwarten wir eigentlich, meine Damen und Herren, von einer Bundeswehr, in der Soldatinnen und Soldaten auf die Verteidigung unseres Landes ihren Eid leisten, im Ernstfall ihr Leben riskieren, in Friedenszeiten aber so gut wie jeder Verantwortung beraubt werden?

Bezeichnend aber ist: Wir leisten uns Dreisternegeneräle im Bundesverteidigungsministerium im Rang eines Abteilungsleiters, die, nüchtern betrachtet, kaum was zu melden haben. Wir leisten uns unter anderem Spezialkräfte, fragmentiert und verteilt über die Teilstreitkräfte, anstatt sie ihrer strategischen Aufgabe entsprechend direkt – das wäre auch gut für die Kontrolle – der Ministerin zu unterstellen, wie in allen Armeen der Welt. Frau Wehrbeauftragte, auf diese Verantwortungsdiffusion haben Sie gerade hingewiesen; denn diese Diffusion beginnt ganz oben und läuft laufmaschengleich bis tief nach unten.

Frau Ministerin, ändern Sie die Strukturen in Ihrem Haus! Sie haben die Macht dazu. Haben Sie auch den Mut! Ihre Aufgabe ist es, die Bundeswehr umzubauen zu einer kompakten, einsatzbereiten Armee. Das Primat allen Handels liegt dabei immer bei der Politik; aber Sie brauchen dabei auch die Expertise des Militärs. Ein Generalinspekteur, meine Damen und Herren, untersteht keinem Staatssekretär. Ein Generalinspekteur muss diesem auf Augenhöhe begegnen.

Der Umbau der Bundeswehr, meine Damen und Herren, vor zehn Jahren mag damals organisatorisch richtig gewesen sein. Heute, nach den Erfahrungen von 2014, heute, herausgefordert durch den internationalen Terrorismus, heute, in Partnerschaft und Verantwortung in der EU und der NATO, ist es Zeit, diese Strukturen aufzubrechen.

Meine Damen und Herren, Frau Ministerin, der französische Präsident ist sauer. Die Amerikaner haben einen dicken Hals. Verlassen Sie sich nicht darauf, dass President-elect Biden einen schmaleren Hals hat. Denn wer den Mund spitzt, sollte pfeifen. Oder wie Sie es selbst vorgestern gesagt haben – Zitat –: Man muss endlich mal vom Reden zum Handeln kommen.

Frau Ministerin, unsere Unterstützung haben Sie. Wenn Sie loslegen, sind wir dabei.“